Montag, 6. März 2006
Wenn der PC krank macht
jakob_socom, 19:15h
In die Tasten hauen wie ein Weltmeister, ständig mit der Maus auf Tuchfühlung... Der Computer spornt zu Höchstleistungen an - im Arbeitsalltag und zu Hause. Aber das bleibt nicht für jeden Zeitgenossen ohne Folgen. Zwei Drittel aller am Bildschirm Beschäftigten klagen über Rückenprobleme, fast die Hälfte von ihnen über Nacken- und Kopfschmerzen und 30 bis 40 Prozent über häufige oder ständige Augenbeschwerden. Auch wenn es in Deutschland noch keine umfassenden Statistiken über gesundheitliche Probleme im Hand- und Armbereich gibt, so weisen Untersuchungen auf Beschwerden bei 20 Prozent der Bildschirmarbeitskräfte hin.
„Ich konnte mir keine Tasse Tee mehr einschenken“, beschreibt Doris Müller aus dem hessischen Seeheim-Jugenheim den Höhepunkt ihrer berufsbedingten Beschwerden. Die Sekretärin und Sachbearbeiterin litt unter Schmerzen im Mittelhandknochen, unter eingeschlafenen oder steifen Fingern und schweren Armen.
Zuerst nahm sie ihre Beschwerden nicht ernst und zwang sich, weiter zu arbeiten. Erst als sie bei einer Untersuchung der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie/Psychotherapie an der Technischen Universität Darmstadt teilnahm, wurde bei ihr RSI diagnostiziert. Die kryptische Abkürzung steht für Repetitive Strain Injuries - Verletzungen durch wiederholte Beanspruchung. Häufige Wiederholungen von Bewegungen können - so Prof. Dr. Hardo Sorgatz von der Technischen Universität Darmstadt - minimale Verletzungen im Muskelgewebe und andere Störungen im Bewegungsapparat auslösen. Er beruft sich dabei auf Berichte der amerikanischen Wissenschaftakademie.
Das sieht Prof. Dr.med. Gustav Schäcke, Leiter des Institutes für Arbeitsmedizin an der Frei-en Universität Berlin anders. In erfahrenen medizinischen Fachkreisen gelte der Begriff RSI eher als modisch, zumal es sich hierbei nicht um eine sauber geklärte Diagnose handele.
Bei Berufsgruppen, die in hoher Geschwindigkeit Daten in den Computer hacken, seien gesundheitliche Schäden nicht auffällig hoch, so Schäcke. „Die gesundheitlichen Probleme bei der guten alten Schreibmaschine sind wegen des höheren Kraftaufwandes grösser gewesen.“ Durch die tägliche Arbeit werde die Muskulatur vielmehr trainiert. Schäcke verweist auf die Berufskrankheit Nr. 2101, die bei einer Bildschirmtätigkeit vorkommen könne. Es handele sich dabei um Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die z.B. 1996 in Deutschland nur insgesamt 39 Mal anerkannt worden seien. Das mache 0,2 Prozent aller 1996 in Deutschland anerkannter Berufskrankheiten aus. Die Gründe für gesundheitliche Probleme vieler am Bildschirm Beschäftigter sieht Schäcke z.B. in der starren, monotonen Haltung und der geringen Bewegung am Arbeitsplatz.
Sorgatz hält dagegen, dass die Muskulatur nur in den ersten Berufsjahren trainiert werde. Auch der von Schäcke angeführte Kraftaufwand spiele bei der Entstehung von gesundheitlichen Schäden von Streckermuskulatur und -sehnen keine Rolle.
So uneinig sich die Experten sind, so eindeutig hat sich die Gesundheit der 50jährigen Frau Müller verbessert: „Heute bin ich fast beschwerdefrei durch speziell auf mich abgestimmte Lockerungs- und Dehnungsübungen“. Nach der Diagnose hat sie sich einer individuelle Behandlung mit verschiedenen Bausteinen wie z.B. verhaltensergonomischen Schulung, muskuläres und sensorisches Regenerationstraining unterzogen. Inzwischen hat sich ihr Arbeitsalltag verändert. Sie nimmt vor ihrem Computer keine starre Haltung mehr ein und hat auch ihre Schreibgeschwindigkeit verlangsamt.
Hardware, Software, Büromöbel, Klima, Arbeitsatmosphäre und Verhalten am Arbeitsplatz: Eine Fülle von Aspekten wirkt sich auf die Gesundheit auf. So sollte der Bildschirm z.B. über eine Bildwiederholungsfrequenz von mehr als 80 Hertz verfügen, damit er nicht zu stark flimmert, rät Schäcke. Der Abstand zwischen Bildschirm und Augen sollte 50 bis 60 Zentimeter betragen. Auch eine geteilte Tastatur hält er für ergonomisch sinnvoll.
Zwar sei die Einhaltung geräte-ergonomischer Standards unabdingbar, berichtet Prof. Sorgatz. Allerdings habe das nur einen geringen präventiven oder heilenden Einfluss. Für die Therapie und Prävention sei das Verhalten am Bildschirmarbeitsplatz von entscheidender Bedeutung.
Ein wichtiger Aspekt bei einem solchen Verhalten ist der ergonomisch sinnvolle Umgang mit der Maus. Fast neun von zehn PCs in der Welt laufen unter Windows und fast alle Rechnerprozesse können mit der Maus ausgeführt werden. Ganz besonders attraktiv sei dies für Autodidakten wie z.B. Kinder. Doch gerade diese Bewegungsgewohnheiten könnten langfristig zu chronischen Schmerzzuständen führen. Sorgatz rät, die Eingabelast möglichst auf beide Hände und viele Finger gleichmäßig zu verteilen, „bevor sich der Zweifingeranschlag als individuelles motorisches Programm etablieren kann.“
Sein Hinweis auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Kinder kommt nicht von ungefähr: „Die kommenden Generationen werden schon vor Berufseintritt eine bis zu 15-jährige, zumeist autodidaktisch erworbene motorische Tätigkeit an Bildschirmgeräten wie z.B. an PCs, Gameboys oder Tamagotchis aufweisen.“ Deshalb müssten präventive Maßnahmen auf die Vermeidung ungünstiger Haltungs- und Bewegungsmuster zielen.
„Ich konnte mir keine Tasse Tee mehr einschenken“, beschreibt Doris Müller aus dem hessischen Seeheim-Jugenheim den Höhepunkt ihrer berufsbedingten Beschwerden. Die Sekretärin und Sachbearbeiterin litt unter Schmerzen im Mittelhandknochen, unter eingeschlafenen oder steifen Fingern und schweren Armen.
Zuerst nahm sie ihre Beschwerden nicht ernst und zwang sich, weiter zu arbeiten. Erst als sie bei einer Untersuchung der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie/Psychotherapie an der Technischen Universität Darmstadt teilnahm, wurde bei ihr RSI diagnostiziert. Die kryptische Abkürzung steht für Repetitive Strain Injuries - Verletzungen durch wiederholte Beanspruchung. Häufige Wiederholungen von Bewegungen können - so Prof. Dr. Hardo Sorgatz von der Technischen Universität Darmstadt - minimale Verletzungen im Muskelgewebe und andere Störungen im Bewegungsapparat auslösen. Er beruft sich dabei auf Berichte der amerikanischen Wissenschaftakademie.
Das sieht Prof. Dr.med. Gustav Schäcke, Leiter des Institutes für Arbeitsmedizin an der Frei-en Universität Berlin anders. In erfahrenen medizinischen Fachkreisen gelte der Begriff RSI eher als modisch, zumal es sich hierbei nicht um eine sauber geklärte Diagnose handele.
Bei Berufsgruppen, die in hoher Geschwindigkeit Daten in den Computer hacken, seien gesundheitliche Schäden nicht auffällig hoch, so Schäcke. „Die gesundheitlichen Probleme bei der guten alten Schreibmaschine sind wegen des höheren Kraftaufwandes grösser gewesen.“ Durch die tägliche Arbeit werde die Muskulatur vielmehr trainiert. Schäcke verweist auf die Berufskrankheit Nr. 2101, die bei einer Bildschirmtätigkeit vorkommen könne. Es handele sich dabei um Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die z.B. 1996 in Deutschland nur insgesamt 39 Mal anerkannt worden seien. Das mache 0,2 Prozent aller 1996 in Deutschland anerkannter Berufskrankheiten aus. Die Gründe für gesundheitliche Probleme vieler am Bildschirm Beschäftigter sieht Schäcke z.B. in der starren, monotonen Haltung und der geringen Bewegung am Arbeitsplatz.
Sorgatz hält dagegen, dass die Muskulatur nur in den ersten Berufsjahren trainiert werde. Auch der von Schäcke angeführte Kraftaufwand spiele bei der Entstehung von gesundheitlichen Schäden von Streckermuskulatur und -sehnen keine Rolle.
So uneinig sich die Experten sind, so eindeutig hat sich die Gesundheit der 50jährigen Frau Müller verbessert: „Heute bin ich fast beschwerdefrei durch speziell auf mich abgestimmte Lockerungs- und Dehnungsübungen“. Nach der Diagnose hat sie sich einer individuelle Behandlung mit verschiedenen Bausteinen wie z.B. verhaltensergonomischen Schulung, muskuläres und sensorisches Regenerationstraining unterzogen. Inzwischen hat sich ihr Arbeitsalltag verändert. Sie nimmt vor ihrem Computer keine starre Haltung mehr ein und hat auch ihre Schreibgeschwindigkeit verlangsamt.
Hardware, Software, Büromöbel, Klima, Arbeitsatmosphäre und Verhalten am Arbeitsplatz: Eine Fülle von Aspekten wirkt sich auf die Gesundheit auf. So sollte der Bildschirm z.B. über eine Bildwiederholungsfrequenz von mehr als 80 Hertz verfügen, damit er nicht zu stark flimmert, rät Schäcke. Der Abstand zwischen Bildschirm und Augen sollte 50 bis 60 Zentimeter betragen. Auch eine geteilte Tastatur hält er für ergonomisch sinnvoll.
Zwar sei die Einhaltung geräte-ergonomischer Standards unabdingbar, berichtet Prof. Sorgatz. Allerdings habe das nur einen geringen präventiven oder heilenden Einfluss. Für die Therapie und Prävention sei das Verhalten am Bildschirmarbeitsplatz von entscheidender Bedeutung.
Ein wichtiger Aspekt bei einem solchen Verhalten ist der ergonomisch sinnvolle Umgang mit der Maus. Fast neun von zehn PCs in der Welt laufen unter Windows und fast alle Rechnerprozesse können mit der Maus ausgeführt werden. Ganz besonders attraktiv sei dies für Autodidakten wie z.B. Kinder. Doch gerade diese Bewegungsgewohnheiten könnten langfristig zu chronischen Schmerzzuständen führen. Sorgatz rät, die Eingabelast möglichst auf beide Hände und viele Finger gleichmäßig zu verteilen, „bevor sich der Zweifingeranschlag als individuelles motorisches Programm etablieren kann.“
Sein Hinweis auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Kinder kommt nicht von ungefähr: „Die kommenden Generationen werden schon vor Berufseintritt eine bis zu 15-jährige, zumeist autodidaktisch erworbene motorische Tätigkeit an Bildschirmgeräten wie z.B. an PCs, Gameboys oder Tamagotchis aufweisen.“ Deshalb müssten präventive Maßnahmen auf die Vermeidung ungünstiger Haltungs- und Bewegungsmuster zielen.
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